Sonntag, 18. November 2012

Lieber Heiliger Vater



Lieber Heiliger Vater,

schon lange wollte ich Ihnen schreiben, verschiedenste Anlässe habe ich verstreichen lassen, ich hätte Ihnen zum Geburtstag und zum Jubiläum und zu allen möglichen Gelegenheiten schreiben können, und habe es nicht getan. Heute nun ergreife ich die Gelegenheit, um Ihnen zu sagen, wie sehr Sie mich beeindrucken, wie sehr Sie mich faszinieren und wie Sie mein Herz zum Überlaufen bringen.
Aufgewachsen in einem hinreichend christlichen, aber nicht äußerst katholischen Umfeld, war ich als Kind und Jugendliche sehr geprägt von der Kirche in Deutschland. „Wir“ verehrten Ihren Vorgänger, den Seligen Johannes Paul II., und waren in seinen letzten Lebensmonaten besorgt, wie es wohl mit der Kirche nach seinem Pontifikat weitergehen würde. In diesen Monaten begann ich zum ersten Mal, mir Gedanken darüber zu machen, wer sein Nachfolger werden könnte, aber ich kannte natürlich nicht die Quellen, denen ich hätte vertrauen können. Aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen überlegte ich mir, dass doch der nächste Papst vielleicht Deutscher sein könnte und aus mir ebensowenig nachvollziehbaren Gründen kamen sofort Sie mir in den Sinn. In meinem eher liberalen Umfeld waren Sie bekannt als ein sehr konservativer Kardinal, der nicht unbedingt ein „Kardinal für’s Volk“ war. Irgendetwas in mir hat mich bewogen, Sie besser „kennenzulernen“, ich habe mir Bücher von Ihnen besorgt und habe dort einen intelligenten, tiefgläubigen Menschen entdeckt. Schritt für Schritt empfand ich immer mehr Sympathie für Sie.
Und dann starb Johannes Paul II. Er, der kurz nach meiner Geburt zum Papst gewählt wurde, der also praktisch der einzige Papst war, den ich kannte, der so etwas wie „mein Papst“ war. Sie hatten die Verantwortung für dieses wunderbare Requiem – und das Konklave begann. Und ich begann, mitzubeten und mitzuhoffen.
Schließlich kam jener 19.April 2005. Ich erinnere mich genau: ich war noch im Labor und das Internet meldete, dass weißer Rauch aus der Sixtinischen Kapelle aufsteigen würde. Ich begann zu rechnen, es würde mir nicht reichen, nach Hause zu fahren und versuchte, einen Livestream zu finden, den ich auch fand, der aber nicht sehr stabil war (da vermutlich so viele Menschen live dabei sein wollten). So saß ich also an der Uni im Labor, umgeben von lauter nicht gläubigen Kollegen und wartete. Als Kardinal Estevez auf den Balkon trat, um uns die große Freude zu verkünden, war ich höchst gespannt und als er bei „….Josephum….“ war, war ich mir sicher, dass nur noch „Ratzinger“ folgen konnte – und ich sollte recht behalten. Meine Freude war wahrhaftig riesengroß.
Lieber Heiliger Vater, und dann traten Sie auf den Balkon und Ihre ersten Worte, dass Sie ein einfacher und bescheidener Arbeiter im Weinberg des Herrn seien und im Vertrauen auf die immerwährende Hilfe unseres Herrn voranschreiten, brachten in mir viele Saiten zum Schwingen.
Diese Saiten haben nicht mehr aufgehört zu Schwingen. In den über sieben Jahren Ihres Pontifikates hatte ich die große Freude, Sie zum Weltjugendtag in Köln und bei Ihren Deutschlandbesuchen „sehen“ zu dürfen.
In meinem Glaubensweg sind Sie nun schon lange zu „meinem Papst“ geworden, zu „meinem geliebten Heiligen Vater“ (auch, wenn man so etwas im Deutschen vielleicht nicht so ausdrücken würde). Ich danke Ihnen herzlich für Ihren Einsatz für uns, für unsere Kirche, für unseren Herrn und Gott. Ich danke Ihnen für das leuchtende Vorbild, das Sie sind, ich danke Ihnen für Ihre klugen Worte, die mich oft im Innersten berühren, ich danke Ihnen für all Ihr Sein, das Sie ganz dem Herrn übergeben haben.
Mein geliebter Heiliger Vater, ich bete weiterhin für Sie und bitte darum, dass Sie unserer Kirche noch lange in Gesundheit und Schaffenskraft, mit Ihrer Intelligenz und Demut erhalten bleiben, dass Sie viele Menschen auf den Weg zu unserem Gott bringen können, dass Sie unsere Kirche weiterhin in Weisheit und Weitsicht leiten können.
Mein größter Wunsch ist, Sie einmal wirklich „live“ treffen zu können und von Ihnen gesegnet zu werden (Ich denke, dass dieser Wunsch sich vermutlich nicht erfüllen wird; darum baue ich dann darauf, ihn in der Ewigkeit erfüllt zu bekommen).

In großer Dankbarkeit und tiefer Zuneigung,
chiqitac

1 Kommentar:

  1. Lieber Heiliger Vater,
    diesen Brief unterschreibe ich gerne als "Trittbrettfahrer".
    MERCI an die Autorin.

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