Sonntag, 23. September 2012

ent-täuscht

Nachdem ich nun tatsächlich schon ein Jahr hier in der Diaspora wohne, "kennen" mich in den verschiedenen Teilgemeinden der Seelsorgeeinheit immer mehr Leute. Es hat sich herumgesprochen, dass ich gut singe und sehr gerne "Psalmen singe", "man" beobachtet mich auch in verschiedenen Sonn- und Werktagsgottesdiensten. Hin und wieder sprechen mich dann Einzelne auch an und fragen, ob ich nicht an diesem und jenem teilnehmen oder mithelfen möchte/würde.
So auch heute.

Mir fällt gerade auf, dass ich einen erklärenden Einschub brauche, bevor ich die Geschichte weitererzählen kann: Hier sind viele Gemeinden - mit 5 "normalen" Kirchen und einigen weiteren Teilorten, in denen die Katholiken sich zu Gottesdiensten in anderen Gebäuden zusammenfinden zu einer Seelsorgeeinheit zusammengefasst; es gibt einen "Vollzeitpriester" und noch 5 Priester, die zumindest für einige Messen zur Verfügung stehen (Ruheständler, Muttersprachliche Gemeinden,...). Es wurde - vor meiner Zeit - beschlossen, dass es auf jeden Fall gewährleistet werden kann, dass jede dieser fünf Kirchen am Sonntag (Samstagabend zähle ich jetzt auch einmal dazu) eine Messe haben kann. Es wurde weiterhin beschlossen, dafür ein rollierendes System einzuführen (etwas, das mir gänzlich vertraut ist, in der Gemeinde meiner Eltern ist dies schon seit viiiiiiiiiiiiiiiiiielen Jahren der Fall), dazu wurden 3 Messzeiten eingeführt: Samstag abends, Sonntags Früh- und Sonntags Spätvormittag. So weit, so gut. Eine der Gemeinden hat sich aber vehement dagegen gewehrt und auf "ihrem" sonntäglichen Gottesdienst um 11 Uhr bestanden. Viele würden nur wegen dieser Messe zu dieser Uhrzeit weite Wege auf sich nehmen, etc. Die Folge: dreimal im Monat durfte die Messe um 11 Uhr bleiben, am vierten Sonntag wurde - um 11 Uhr - eine Wort-Gottes-Feier eingerichtet (als "ganz normale WGF", ohne Kommunionspendung). Nach kurzer Zeit war das nicht mehr genug und es gab Bestrebungen, eine "richtige" WGF mit Kommunionausteilung durchzusetzen. Der Priester hat sich dagegen gewehrt (denn es gäbe ja durchaus Möglichkeiten, eine Eucharistiefeier zu besuchen), der Kirchengemeinderat hat das befürwortet - Folge: es kam zu einem Schlichtungsgespräch mit vom Bischof beauftragten Leuten. Ergebnis: es gibt nun tatsächlich einmal im Monat diese WGF MIT Kommunionausteilung. 

Zurück zur Geschichte:
Eine Dame, die mir schon einmal vorgestellt wurde, und die mich schon einmal auf meine Stimme angesprochen hatte (deren Namen ich aber schon wieder vergessen hatte), kam nach der Messe auf mich zu (sehr freundlich) und fragte mich, ob ich an einem bestimmten Termin schon etwas vorhätte (worauf ich spontan antworten musste, dass ich leider meinen Terminkalender nicht dabeihabe und das deshalb nicht sagen kann), denn da wäre ja Wort-Gottes-Feier in dieser anderen Gemeinde und da würde das Gottes-Lob ja eine große Rolle spielen und sie hätten gerne eine Kantorin dafür, ob ich das nicht machen würde. Manchmal bin ich in solchen Situationen dann ganz spontan und schonungslos ehrlich und habe ihr (ziemlich wörtlich) gesagt, dass es mir leid tut, dass ich ihr das jetzt so sagen muss, dass ich diese WGF aber eigentlich prinzipiell ablehne. 
Spannend, diese kurze Spannungspause, die sich da auftat. Die Stimmung änderte sich von einer Sekunde auf die nächste und zwischen uns tat sich ein meterweiter Graben auf. Sie reagierte auch ganz konsterniert und meinte, das wäre die Gottesdienstform der Zukunft (sie MEINTE, aus Mangel an Priestern). Naja, vielleicht mag sie damit ja Recht haben, aber ich musste ihr erwiedern, dass ich ohne Not sicherlich nicht in eine WGF gehe, sondern, wenn ich die Wahl habe, mich Sonntags gerne ins Auto setze, um eine "richtige" Eucharistiefeier mitzufeiern. 
Wirklich interessant, wie anders sie plötzlich mit mir umging. Ich habe ihr dennoch meine E-Mail-Adresse gegeben und gemeint, sie könne mich dennoch einmal anfragen, und ich wäre vielleicht dennoch bereit, einmal auszuhelfen, aber ich wollte, dass sie weiß, woran sie ist.

Auf dem Heimweg habe ich mich dann innerlich irgendwie gefreut. Darüber, dass ich hin und wieder diese spontanen "schonungslos-ehrlich"-Momente habe, und darüber, dass ich klar meine Meinung gesagt habe, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass mein Gegenüber dadurch wohl etwas vor den Kopf gestoßen wird. (Was jetzt nicht heißen soll, dass ich das prinzipiell gut finde, ich habe mich über meinen Mut gefreut!).
Und mal ehrlich: meiner Meinung nach könnte diese Gemeinde auf Knien danken, dass sie Sonntags immerhin eine Eucharistiefeier haben könnte - dieses Bestehen auf der Uhrzeit finde ich albern - und dieses Ausbauen der WGF hat eindeutig Selbstdarstellercharakter und fördert die Meinung, dass Priester durchaus durch Laien ersetzt werden können. Schrecklich. 

Ich freue mich immer noch. Und bin schon gespannt, wie das hier so weitergehen wird. Bestimmt bin ich bald als "Motzkachel" verschrieen ;-) 
Vielleicht wäre das aber auch eine Auszeichnung?! ...

3 Kommentare:

  1. Leider gibt es viele Menschen, die mit ständig wechselnden Zeiten GROSSE Probleme haben - die einfach mit Zahlen wenig anfangen können und/oder einen regelmäßigen Tageslauf brauchen. Für die sind wöchentlich wechselnde Gottesdienstzeiten Gift.
    Aber ein Hl. Messopfer gegen eine WGF einzutauschen ... da würde selbst ich als Betroffene (s. o.) lieber pendeln und mit den Termin halt ins Handy oder sonst einen akustisch vernehmbaren Terminkalender schreiben ...

    AntwortenLöschen
  2. Liebe Frau Kollegin,

    Label: „Zum Kampfe“? Genau! Ich möchte Ihnen von Herzen zu dem Mut und der Aufrichtigkeit gratulieren, die Sie da bewiesen haben! Wir kennen solche Situationen wohl alle aber ich jedenfalls erinnere mich nicht gern an alle, weil auch solche dabei waren, da hat man sich, mehr oder weniger charmant, weggeduckt, die Frage vernebelt, die Leute vertröstet…

    Und das ist eben falsch! Denn es gibt auch die Erinnerung an die Momente, wo es, wie gerade bei Ihnen, richtig gelaufen ist und wo man dem Gesicht des Gegenüber ansah: Da ist ein Nachdenken immerhin angestoßen worden.

    Denn die Leute meinen es ja nicht böse, in der Mehrheit. Sie haben sich nur einfach Jahrzehnte daran gewöhnt, den Gottes-Dienst (obwohl der doch schon so heißt…) als vorwiegend menschliche Veranstaltung wahrzunehmen. Und dann wird ihnen ja auch ständig von „Wissenschaftlern“ eingeredet, alles sei in Ordnung (vgl. http://www.pulchra-ut-luna.de/2012/03/kranemann-geh-du-voran/).

    Ich werde mir erlauben, auf Ihren Beitrag zu verlinken.

    Dank und Gruß

    GL

    AntwortenLöschen
  3. Wir haben das alles bei uns auch mitgemacht und mein Mann und ich und ein paar ältere haben sich gegen die WGF mit Ko. ausgesprochen, die auch nicht nötig wären. Wir sind dann so gemobbt worden, dass wir unser Engagement in der Pfarrei aufgegeben haben und unsere Tochter sogar in einer anderen zur Ersten Heiligen Kommunion gegangen ist. Ich wünsche dir starke Nerven und Gottes Segen und Wachstum in der Liebe weil man seine eigene Seele vor Überheblichkeit schützen muss.

    AntwortenLöschen